"Wie Öl entfachst du deininneres Feuer und bekämpfstdie unerbittliche Hitze, wenn dieSonne auf die Straßen brennt."

Arlberg Giro

Für dieses Rennen muss ich dir zuerst erzählen was 4 Wochen vorher passiert ist.
Du denkst jetzt sicher, „jetzt spinnt der Nothegger!“, aber ich sag es dir, das war mal richtig wild.

Ich hatte eine riesige Depression und wollte schon meine Saison beenden.

Nach dem Engadiner Radmarathon am 08.07. gings für 3 Wochen ins Trainingslager nach Bormio.
Da ich ja normalerweise in Gran Canaria lebe, war Bormio perfekt für ein Höhentrainingslager und somit super um für den Ötztaler Radmarathon zu trainieren.
Lange Berge = viele Stunden G1 Intervalle. Die erste Woche lief noch sehr gut und ich wurde immer besser.
In der zweiten Woche erreichte ich dann die absolute Hochform. Mega Beine und freier Kopf. Alles war spielend leicht. Ich bin am Morgen einfach auf den Stelvio, ohne Limit. Ergebnis: viert-schnellste Zeit auf Strava.

In der dritten Woche begann der Fall. Ich merkte, dass ich langsam aber sicher rausnehmen musste. Also runter mit der Intensität. Aber es war zu spät. Morgens merkte ich meine 40 Jahre.

Meine Sehnen und Muskeln begannen so stark zu schmerzen, das ich sogar das Training abbrechen musst.
Wie du dir jetzt sicher denken kannst, ist für mich eine Welt zusammengebrochen. Die letzten 2 Tage des Trainingslagers verbrachte ich im Bett, Decke über den Kopf und Ruhe. Ich schleppte meinen Kadaver zum Essen und unter die Dusche, aber grundsächlich blieb ich im Bett und war deprimiert. Das tat meinem Körper zwar gut, aber kopfmäßig warf es mich in ein absolutes Ruhewochen-Tief. Mir war einfach zum Heulen.

Jetzt sag ich dir, das ist total normal. Das passiert jedem. Immer wenn du nach dem Trainingslager eine Ruhewoche machst, dann geht es dir so richtig dreckig. Psychisch und Physisch, dass ist ganz normal und hormonell bedingt. Nach 3-4 Tagen ist der ganze Spuk wieder vorbei. Trotzdem ist es eine sehr schwierige Zeit.

Als Ablenkung schleppte ich meinen Kadaver zum Physiotherapeuten. Alles Muskeln, Sehnen und den Rücken wieder einrenken und an den vorgesehenen Platz zurückbringen. Nach 2 Sitzungen war alles wieder top.

Jedoch kreisten meine Gedanken immer wieder um den Arlberg Giro.
„Bist du fit genug?“, „Warum geht´s dir so dreckig?“, „Scheiße, dass schaff ich nicht?“, „Nein, Mathias das ist alles normal?“
So gings rund in meinem Kopf, den ganzen Tag….

In der Ruhewoche lief es beschissen. Depression, keine Form. Ich glaub ich fahr nicht.

Als Trainer sag ich immer zu meinen Schützlingen: „Donnerstag vor einem Rennen ist immer der Entscheidungstag. Wenn du dich nach dem Training richtig erholst und ins „Ruhewochen-Loch“ fallen lässt, dann muss es am Donnerstag vor dem Rennen wieder gut gehen.

Also, ich am Donnerstag auf´s Rad. Endlich aufatmen, es lief wie der Blitz. Mir fielen 1.000 Steine vom Herzen. Da sagte ich mir:“ Das Ding hol ich mir!“

Am Sonntag startete dann der Arlberg Giro – Ich war bereit.
Die Rennstrategie hatte ich mit schon am Vortag zurechtgelegt. Ich wollte die „Section Controll“ in Stuben zu meinem Vorteil nutzen und das Rennen schon am Arlberg gewinnen.

Du fragst dich jetzt sicher: „Was ?? Wie soll denn das gehen?“
Also. „Section Controll“ bedeutet: Die Strecke von Stuben bis Wald war neutralisiert. Für diesen Abschnitt musst du mindestens 14 Minuten benötigen, sonst wird man disqualifiziert.

Warum macht der Veranstalter das? Die Abfahrt vom Arlberg, geht durch eine Galerie und einen Tunnel, die feucht und rutschig sein können. Die Straße ist nicht gesperrt. Um hier Unfälle zu vermeiden, wird hier das Rennen „unterbrochen“. In 14 Minuten kann man da ganz gemütlich runterrollen und auch unsichere Radfahrer kommen unten sicher an.

Mein Plan war:
Im ersten Abschnitt vom Start bis Stuben einen Vorsprung von 1 Minute rauszufahren. Dann im zweiten Abschnitt von Wald bis ins Ziel, mich in der Spitzengruppe verstecken bis ins Ziel. So hätte ich dann am Ende des Rennens im Ziel 1 Minute Vorsprung auf alle anderen. Gewonnen.

Am Start ging es gleich schnell los, oh Mann. Ich rollte an dritter Stelle mit. Nach 7 Minuten ging das Tempo etwas runter. Ich setzte mich sofort an die Spitze und drückte auf´s Gas. Schnell waren wir nur noch zu viert, dann drei und zum Schluss nur noch Stefan Kirchmaier und ich. Mein Plan konnte klappen, also blieb ich weiter am Gas. Zu zweit über den Pass in die Abfahrt. Jetzt konnten wir 1-2 Minuten zwischen die Gruppe und uns bringen. Zack und schon fuhr ich über die Zeitnehmungs-Matte. Ich liebe es, wenn ein Plan funktioniert.
Tip Top, erst mal Pause und Pippi machen. Die anderen verstanden die Welt nicht mehr. Als ich mich wieder in die Gruppe einsortierte, fragte sich jeder, warum ich so eine sinnlose Aktion gemacht hatte.
Stefan Rabitsch sprach mich darauf an: „He Alter, bist du denn Wahnsinnig den Berg so hoch zu knallen? Dann stehst du hier und wartest auf uns, das bringt doch nichts!“ Ich erklärte ihm meinen Plan. Seine Antwort: „Du Fuchs.“

Nach dem Ende der „Section Controll“ hetzten wir bis Bludenz mit einem Affenzahn im Flachen dahin. Die Roller-Jungs wechselten sich stetig ab. Puh, in Gortipol angekommen, geht es endlich den Berg hoch. – Uff, endlich.

An der Mautstelle setzte ich mich sofort an die Spitze und mach das Tempo.
Am Straßenrand stand Daniel Zugg, flupp, warf ich ihm meine Jacke hin, denn nun ist das Tempo optimal. Also weg mit dem Gewicht.
Ich schraub die Watt hoch, denn es gibt einen KOM Preis zu gewinnen. Alle hängen an meinem Hinterrad. Nur einer griff an, ein Schweizer, oh mann den kannte ich vom Engadiner Radmarathon. Mensch, der schlug ein noch höheres Tempo an. Ich fuhr mit, hinter uns bricht einer nach dem Anderen weg. Noch 10km bis zum Gipfel. Endlich wird er langsamer, ich fahr an ihm vorbei und halte das Tempo hoch. Noch sind wir zu viert, mehr Gas, noch drei, mehr Gas, nur noch 2 können mit folgen.

Es sind die letzten 6km bis zum Gipfel,
zu dritt kämpften wir uns nach oben. Michael Spögler, Stefan Kirchmaier und ich. Stefan sagt ich soll langsamer machen. Ich denke nur: „Alter, wir fahren hier ein Rennen. Ich mach sicher nicht langsamer.“ Ich fühl mich sehr gut und fahr voll weiter. Er jammert und stöhnt. Ich scheiß drauf, es sind die letzten 4km bis zum Gipfel. Ich sag zu Michael Spögler: „Ich leg noch einen Zahn zu, komm Junge geh mit.“ Wir lassen einen fluchenden Stefan Kirchmaier zurück.

Ich hau voll einen raus, denn ich will unbedingt die KOM Wertung. Also schalte ich auf das große Blatt und dreh richtig auf und schaff es auch als erster für die Zeitnehmnungs-Matte.
Oben angekommen schüttelten wir uns kurz. Sollten wir jetzt auf die anderen warten ? – Ne, wir waren uns einig, wir fahren und versuchen es. Wenn sie sich hinten uneinig sind, dann können wir das schaffen.

In der Abfahrt gaben wir alles.
Wir wechselten uns ab, wie beim Mannschafts-Zeitfahren. Mega geil, es geht dahin mit 48 – 50-60km/h. Gegenwind bläst uns ins Gesicht, egal, ich fühlte mich einfach super.
Michi sah allerdings nicht so toll aus. Was ist denn los? In Ischgl sagte er dann: „He Mathias, mir ist nicht gut.“ – „Oh Fuck Kacke. Mach langsamer und bleib etwas länger im Windschatten. Hier nimm ein Schluck aus meiner Flasche, da ist NOM Competition drin.“ sagte ich.

Wir fuhren voll weiter, auch Michi. Ich dachte, das passt dann wieder. „In Pians gibt´s Cola.“ Sagte ich ihm, da kann er von mir abhaben. In Pians explodiert Michi total, er ist kaputt, fertig. Mit einem Sorry verabschiedete ich mich. Der Rennleiter kam mit dem Auto vorbei, ich rufe ihn zu mir: „Wie weit bin ich vorne? – 15 Sekunden, oje, sie sind da.“
Oh, ich nahm raus, trink noch was und warte auf die anderen.

Der Zug rollt an, Patrick Hagenaars ruft: „Hopp Mathias.“ Und ich hüf in die Gruppe. Ich halte Ausschau nach Michi, aber er hat es nicht geschafft, es tut mir wirklich leid für ihn, schade.

Die nächsten 10km sind etwas langweilig.
Ich wusste, das 8km vor dem Ziel nochmal eine längere Welle kommt, da musste ich es nochmal versuchen. Das ist die einzige Möglichkeit einem Zielsprint aus dem Weg zu gehen. Als ruf ich zu Stefan Rabitsch rüber: „He Stefan, km 8.“ Er schaut mich komisch an.

„8km vor dem Ziel, all out, ok ?“ Er stimmt zu. Geil. Vor mir taucht die Welle auf, zwar nicht sehr steil, aber sollte gehen. Ich zieh links voll raus, geh in den Wiegetritt und fahr richtig schnell. Stefan zieht an mir vorbei und dreht richtig auf. Scheiße, ich schaff es kaum am Hinterrad zu bleiben. Raus aus dem roten Bereich in den tiefschwarzen. Ich geb 120% und schaffe es dranzubleiben.

Nach 1km geht es mir besser und ich übernehm auch mal die Führungsarbeit.
Wir wechseln uns ab und geben Vollgas. Hinter uns hupt der Rennleiter wie wild. 2km vor dem Ziel überholt er uns und schreit: „Ihr habt es geschafft, die Gruppe hinter euch hat aufgegeben.“
Doch wie nehmen nicht raus, weiter geht´s mit Vollgas.

Der letzte KM. Wir sprechen uns ab. Da ich ja 1 Minute Vorsprung habe, lässt Stefan mich 100m vor dem Ziel vorbei.

Ich fahr als erster über die Ziellinie.
Das war mal ein geiles Rennen. Vielen Dank nochmal an Stefan Rabitsch.
Vielen Dank auch nochmal an die Veranstalter, das war eine super Organisation.

Euer Mathias Nothegger



Zusammengefasst:
Arlberg Giro 2019 gewonnen –  150km und 2.500 hm

Strecke:
St. Anton – Arlbergpass – Bludenz – Montafon – Silvretta – Paznauntal – St. Anton

Bilder:
Walter Andre >>Hier geht´s zur Hompage<<